Grußwort des Ortsbeauftragen zu Weihnachten und zum Jahreswechsel

Liebe Besucherinnen und Besucher von thw-lueneburg.de,

auch in diesem Jahr sitze ich wieder an meinem Schreibtisch und blicke zurück auf die zurückliegenden zwölf Monate. Was hat mich in dieser Zeit bewegt und wohin führt der Weg? Es ist tatsächlich schon das elfte Mal, dass ich für sie dieses Grußwort verfasse. Mal etwas früher, mal etwas später. Diesmal ist es sogar „sehr spät“, aber das Leben ist nun mal ein ständiges auf und ab und es ist nicht immer Zeit und Muße alles so zu machen wie immer.

In den letzten Jahren sind meine Grußworte nachdenklicher und sicher auch politischer geworden. Darf ich das in meiner Funktion überhaupt? Muss eine Behörde wie das THW nicht „neutral“ sein? Die Antwort auf beide Frage ist für mich eindeutig „ja“. Halten sie das für widersprüchlich? Aus meiner Sicht ist es das tatsächlich nicht. Das THW-Gesetz legt fest, dass THW-Helferinnen und -Helfer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besondere Art stehen. Für mich ergibt sich daraus auch eine Verpflichtung gegenüber diesem Staat. Es gilt, ihn zu schützen und in seiner heutigen, bewährten Form zu erhalten.

Sicher bin auch ich nicht immer einverstanden mit Entscheidungen, die von der Politik getroffen werden. Doch dies ist der Preis der parlamentarischen Demokratie. Sie kann ohne Kompromisse nicht funktionieren. Sie ist nicht unfehlbar und ganz sicher nicht perfekt. Aber welches Regierungssystem wäre das schon? Glauben sie, ein „starker Mann“ würde immer das tun, was sie sich wünschen? Wie wäre es mit der Rückkehr zu einer absoluten Monarchie? Mit beidem haben doch grade wir Deutschen Erfahrungen gesammelt. Glücklich gemacht hat uns keins von beidem. Heute befinden wir uns nach meinem Eindruck wieder an einem Punkt, an dem versucht wird, mit den Mitteln von Rechtsstaat und Demokratie genau dies abzuschaffen. Und das macht mir Sorgen. Es hat schon einmal funktioniert. Die Weimarer Verfassung bot damals die Möglichkeit dazu. Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben daraus gelernt und wesentliche Mechanismen verändert. Ob uns dies ausreichend schützt werden wir sehen.

Wo also geht die Reise hin? Es ist normal, verschiedene Meinungen zu haben und man kann sich auch mal einig sein, dass man sich nicht einig ist. Andererseits darf nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit alles sagbar werden. Josef Goebbels, Propagandaminister von Adolf Hitler, sagte in einer Rede am 4. Dezember 1935: „Wenn unsere Gegner sagen: Ja, wir haben Euch doch früher die […] Freiheit der Meinung zugebilligt – –, ja, Ihr uns, das ist doch kein Beweis, daß wir das Euch auch tuen sollen! […] Daß Ihr das uns gegeben habt, – das ist ja ein Beweis dafür, wie dumm Ihr seid!“ Hier liegt eine große Gefahr. Grenzen verschieben sich heute immer weiter in eine Richtung, die mir keineswegs akzeptabel erscheint. Auch purer Hass scheint salonfähig geworden zu sein. Selbst im persönlichen Gespräch sind Meinungsverschiedenheiten heute oftmals nicht mehr sachlich zu führen. Jedes Argument wird auf fragwürdige Art und Weise „entkräftet“. Statistiken wären gefälscht, Berichte in den Medien würden zensiert, im Zweifel wird diffamiert oder einfach das Gegenüber über beschimpft und ihm oft noch gewünscht, Opfer eines Verbrechens zu werden.

Diese Wahrscheinlichkeit hat übrigens in den letzten Jahren immer weiter abgenommen. Bei Mord und Totschlag ist die Zahl der erfassten Opfer von rund 1.000 Menschen im Jahr 2000 auf knapp 640 im Jahr 2017 gefallen. Ein Rückgang von ziemlich genau 36 Prozent. Trotzdem fühlen wir uns heute unsicherer als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Ein Gefühl, dass gerne geschürt und instrumentalisiert wird. Aber woher kommt dieses Gefühl? Zu erklären ist es ganz einfach: wir erfahren heute über das Internet von vielen Ereignissen, die früher einfach an uns vorbeigegangen wären. Gleichwohl hat die Gefahr zugenommen, als politisch aktiver Mensch Opfer von politisch motivierter Gewalt zu werden. Prominentes Beispiel in diesem Jahr ist der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke. Lübcke wurde am 2. Juni auf der Terrasse seines Hauses aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss getötet. Zwei Wochen später wurde ein Tatverdächtiger festgenommen, der mutmaßlich der rechten Szene mehr als nahestand. Als Tatmotiv nannte er, dass Lübcke sich positiv zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland geäußert hatte.

Drohungen und Anfeindungen hatte Walter Lübcke zumindest nach außen von sich abprallen lassen. Letztendlich hat er seine Standhaftigkeit mit dem Leben bezahlt. Andere werden bedroht und halten dem Druck irgendwann nicht mehr Stand. In Arnsdorf bei Dresden trat die Bürgermeisterin Martina Angermann zurück. Bereits 2015 machte der Ortsbürgermeister von Tröglitz den selben Schritt aus den gleichen Gründen. Und das Beispiel Lübcke zeigt, wie real die Bedrohung ist. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Richtung diese Gewalt kommt, dies sei hier deutlich gesagt. Allerdings bringt es Marc-Uwe Kling in seiner „Känguru-Offenbarung“ auf den, satirischen, Punkt:

„Ein extrem wichtiges Thema. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ob Links-oder Rechtsextremismus – da sehe ich keinen Unterschied.“ „Doch, doch“, ruft das Känguru laut dazwischen. „Es gibt einen Unterschied. Die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos anzünden ist schlimmer. Denn es hätte mein Auto sein können. Ausländer besitze ich keine.“

Auch in anderen Bereichen gibt es Entwicklungen, die mich verunsichern. Der Rücktritt des Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs, wird von dessen Seite ebenfalls mit massiven Drohungen gegen sich und seine Familie begründet. Die tatsächlichen Auslöser für die Querelen wurden bisher zwar nur vage benannt, eine Beurteilung ist somit also schwierig. Ziebs war seit 2016 Präsident des DFV, Kritik an ihm soll es schon länger gegeben haben. Hochgekocht ist jedoch alles ganz plötzlich, nachdem Ziebs sich deutlich gegen rechtsnationale Tendenzen in der Feuerwehr positioniert hatte. Auch seine Teilnahme am Christopher-Street-Day in Köln im Juni diesen Jahres wurde nach seinen Aussagen als „Provokation“ bezeichnet. Natürlich kann es sein, dass alles in keinem Zusammenhang miteinander steht. Zumindest bei mir bleiben jedoch Zweifel.

Vor diesen Hintergründen tritt vieles andere in den Hintergrund. Den Dienst im Ortsverband haben wir auch wie immer routiniert abgewickelt. Größere Einsätze gab es keine. Das THW-Rahmenkonzept stellt uns zwar vor einige Herausforderungen, aber wir stellen uns dem. Einige Teileinheiten sind neu aufzustellen. Soweit diese aus anderen Ortsverbänden übernommen wurden, stehen hier wenigstens zum Teil Fahrzeuge und Gerät zur Verfügung. Der Führungstrupp der Fachgruppe Logistik ist derzeit zwar noch ohne Fahrzeug, allerdings ist hier auch das Ergebnis der Überarbeitung des Fahrzeugkonzeptes abzuwarten. Besser steht es um den Materialerhaltungstrupp der selben Gruppe, hier wurde im September ein fabrikneuer LKW mit Ladekran ausgeliefert. Es fehlt allerdings noch die wesentliche Komponente dieses Trupps, der Werkstattanhänger. Im Herbst wurde ein Baumuster am THW-Ausbildungszentrum Hoya erprobt, die Serienbeschaffung startet vielleicht schon im nächsten Jahr. Wir hoffen, dass von den 40 ausgeschriebenen Anhängern bald auch ein Exemplar den Weg in unseren Ortsverband findet. Von Seiten der LV-Dienststelle besteht die Absicht, die acht im Landesverband benötigten Anhänger innerhalb der nächsten fünf Jahre auszuliefern. Solch klare Ansagen sind hilfreich und vermitteln den Mitgliedern des Ortsverbandes auch entsprechende Wertschätzung.

Welche Herausforderungen es noch gibt lesen sie im nächsten Jahr hoffentlich wieder in unserem Jahresbericht. Leider stecken wir hier etwas fest, seitdem der Ortsverband ohne Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit auskommen muss. Zahlenmäßig stehen wir insgesamt gut da, die meisten Teileinheiten sind uneingeschränkt einsatzbereit. Für Aufgaben außerhalb der Einsatzeinheiten finden sich jedoch nur schwer Personen, die Verantwortung übernehmen und vor allem Zeit investieren wollen. So suchen wir auch eine/n neue/n Ausbildungsbeauftragte/n und für mich eine neue Stellvertretung. Sollten sie also noch nicht ausgelastet sein, melden sie sich gerne bei mir. Arbeit gibt es genug. Früher wollte jeder Häuptling sein, dieser Trend scheint sich jedoch ins Negative verkehrt zu haben.

Ansonsten wird das nächste Jahr sicher wieder typisch für unseren Ortsverband sein. Der normale Dienst- und Ausbildungsbetrieb startet nach der Winterpause Mitte Januar, viele Veranstaltungen sind bereits vorgeplant, sowohl intern als auch extern. Sie finden auf allen Ebenen, örtlich, regional, auf Landes- und zum Teil auch auf Bundesebene statt. Wo es geht werden Lüneburger THW-Helferinnen und -Helfer dabei sein und diese Welt hoffentlich ein Stück besser machen. Viel Arbeit also, die vor uns liegt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2020. Bleiben sie uns gewogen und schauen sie auch im nächsten Jahr wieder regelmäßig bei uns vorbei

Herzlichst

Ihr

Ingo Perkun
Ortsbeauftragter

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